Reiseabschnitt Havanna Trinidad Baracoa Santiago Viñales Havanna
2010-03-03 Wo alles begann, damals in Kuba
Für den Bus von Santiago nach Baracoa kam ich zwar auf eine Warteliste, aber dann doch noch mit. Über die Passstraße 'La Farola' ist Baracoa seit 1965 auch auf dem Landweg erreichbar. Dabei ist Baracoa, gegründet 1511, die älteste spanische Ansiedlung auf der Insel. Zur Erinnerung: Kolumbus erreichte im Oktober 1492 die Neue Welt (heutige Bahamas) und entdeckte als Nächstes im November Kuba ...und zwar hier bei Baracoa.
Die Isolation förderte eine besondere Geschichte, sei es illegaler Handel mit den Franzosen bzw. Engländer, seien es französische Flüchtlinge aus Haiti, welche Kaffee- und Kakao-Anbau mitbrachten oder die Landung der Unabhängigkeitskämpfer 1895. Palmen, Kaffee, Kakao, Bananen finden sich sonst nirgendwo so konzentriert bzw. intensiv wie hier. Das dies die wärmste und auch regenreichste Gegend von Kuba ist, wurde nicht erwähnt, wenn ich bisher die Empfehlung bekam, diesen Flecken Erde nicht zu versäumen ...es gibt genug Schönes zu berichten, so dass dies einfach unbedeutend wird.
Nach all der Schwärmerei über das Paradies auf Erden war ich ziemlich enttäuscht, als der Bus in Baracoa einfuhr: Eine hässliche Strandpromenade mit viel Plastikmüll, herunter gekommenen Gebäuden und kaum Menschen. Am Terminal machte ich mich von Schleppern & Co. los, welche einem intensiv die jeweilige Privatunterkunft nahe bringen wollten und ging die paar Meter zum Kai. Ein Fahrradfahrer mittleren Alters sprach mich dann doch an. Ich wehrte ab. Kein Problem, ich solle mich erstmal ausruhen und wenn ich später in den Ort käme, würde er sich freuen, wenn ich bei seinem Casa Particular vorbei schauen würde. - Welch ein Unterschied zu der Anmache am Busterminal und warum nicht doch gleich mit ihm gehen?
So bin ich also zu meiner zweiten Privatunterkunft gekommen. Ein Zimmer mit angegliederten Bad, auch hier Haus- und Zimmerschlüssel, Ventilator und AC, kein Tisch, keine Klobrille, der Weg von der Haustür führte durch's Wohnzimmer und Küche der Familie zuerst in meine Toilette und dann in meinen Schlafraum. Das Ehepaar war nett, er der kontaktfreudige Teil und die Kinder (Sohn 9 Jahre, Tochter 20 Jahre) bekam man kaum zu Gesicht.
Über den Preis waren wir uns auch schnell einig. 20 CUC für's Zimmer sowie je nach Wunsch für's Frühstück 4 CUC und 9 für's Abendessen. Das gab's dann ein paar Stunden später und war doch nicht so... Von der berühmten lokalen Küche mit Kokos und exotischen Gewürzen konnte ich nichts entdecken.
Casa Particular: Arquimedes Navarro Navarro, Ruber López No. 87, Baracoa, Tel: 643291
2010-03-04 Baracoa, oder: Die Tropen sind vorhanden
Baracoa hat so gut 50.000 Einwohner und im Inneren verbreiten viele alte koloniale Holzhäuser einen besonderen Charme ..und es ist auch sauber. Die Strandpromenade, bei uns sicherlich ein Ort besonderer Beachtung, interessiert keinen und ist der hässlichste Teil des Ortes.
Aber zuerst kam das Frühstück. Einen Teller mit geschälter Orange und Bananen, ein Omelett, ein Glas Honig als Brotaufstrich, (ungesalzene) Butter, zwei Brote (Größe/Form: Brötchen; Beschaffenheit: Toastbrot), ein halbe Kanne Orangensaft (frisch mit Wasser verdünnt), ein halbe Kanne heiße Schokolade (schmeckt hier wirklich so!), eine kleine Thermoskanne Kaffee. OK, auch mit Flüssignahrung kann man den Tag gut starten.
Auf dem kurzen Weg in's Zentrum sah ich am Ende einer Seitenstraße, dass eine lange Treppe den Hügel hinter der Stadt hinauf führte. Von dort bekam ich einen ersten Überblick. Weiter ging ein Pfad, der sich immer wieder teilte. Ich nahm den Teil, der am ehesten nach oben führte. Ruckzuck war ich mitten in den Tropen: Urwald mit kleinen landwirtschaftlichen Anwesen, wie ich sie aus den Urwäldern kenne, egal ob Sumatra oder Costa Rica, ob Honduras oder Bolivien. Meine Zweifel, ob Kuba wirklich noch zu den Tropen gezählt werden sollte, waren dahin.
Mittags holte ich mir durch eine nette Beratung bei der Touristinfo 'Infotur' genug Anregungen für mehrere Wochen in Baracao und Umgebung. Buchen konnte ich dort jedoch nichts und das staatliche Reisebüro hatte Mittagspause.
Im Süden der Stadt sollte ein Fluss malerisch in den Atlantik münden. Das wäre eine nette Überbrückung der Zeit. Also die Promenade runter, um das Baseballstadion herum, den Strand entlang, dann etwas landeinwärts und über einen sehr langen Holzsteg auf die andere Seite. Hier war ein kleines Dorf, nett anzusehen und eine Art Kassenhäuschen mit der deutlichen Aufschrift 'Zugangskontrolle', besetzt mit zwei reizenden Damen und einem Herren, der mehr Ausweise umhängen hatte, als Finger an den Händen. Das Gebiet würde nun zum Nationalpark gehören und der Eintritt betrüge 5 CUC ...mit ihm als Führer nur 12 CUC inkl. Höhlen. In meinem Reiseführer stand zwar etwas von Einheimische, welche einem die Grotten zeigen, aber... OK, die Zeiten ändern sich und skeptisch zahlte ich 12 CUC.
Wir gingen los. Er erzählte von dem erweiterten Angebot der Nationalparks, dass ich auch die anderen interessanten Orte besuchen solle, er dafür auch gerne mein Führer sei und ich müsse nur den Transport organisieren. Ahja, jetzt hat er sich verraten. Zwischendurch machte er mich auf diverse Vögel aufmerksam, indem er ihre lateinischen Namen benutzte. So etwas finde ich ungeheuer beeindruckend, vergleichbar mit einem Stadtführer in Köln der mich darauf aufmerksam macht, welche Automarke gerade an uns vorbei fährt: "Schauen Sie mal, dort: Ein Volkswagen! Das ist die Fachbezeichnung, aber die Eingeborenen nennen sie volkstümlich nur 'VW'."
Nach einer Viertelstunde hatten sich seine Dienste erschöpft. Er übergab mich mit vielen Worten der Erklärung (dringende Aufgaben an der Pforte usw.) an einen Anwohner und war futsch. Nun, der Anwohner entpuppte sich als derjenige, welcher im Reiseführer empfohlen wurde. Er versuchte gleich seine Deutschkenntnisse anzubringen, die er in zwei Jahren Leipzig erworben hatte. Ich denke, der Umfang entsprach in etwa meinen Spanischkenntnissen. Auf seinem Anwesen liegen die vorzeitlichen Felsbehausungen wie auch die Höhle. Er pflegte sie, unterhielt die Wege dorthin und verdiente sich ab und an, wenn denn mal ein Tourist kommt, ein Paar CUC dazu.
Früher, nach seiner Rückkehr, hatte er in der Schokoladenfabrik westlich von Baracoa gearbeitet, aber der Verdienst sei grottenschlecht gewesen. So hat er mit seinem Bruder das väterliche Anwesen übernommen und baut hier Kokos mit Kaffee und Kakao an. Mittlerweile waren wir an einem Aussichtspunkt angekommen und er zeigte mir, nicht ohne Stolz, die Grenzen seiner Bewirtschaftung. Danach ging's steil in den Fels geschlagene Stufen herunter und unten weiter auf einem Steinwall. Dann blieb er stehen und zeigte auf eine große Vertiefung im Boden.
Dort ging's hinein. Es war eine Höhle. Stockdunkel, nur von seinen beiden Taschenlampen mit fast leeren Batterien erleuchtet, machten wir uns auf den Weg hinab. Der Boden war feucht und glatt, die Decke ebenso. Wo ich hin treten sollte, hatte er mir vorher per Taschenlampe gezeigt ...Schritt für Schritt. Manchmal konnte ich stehen, meisten war aber die Decke im Weg. Unten angekommen, zeigte er mir einen kleinen See mit Süßwasser. Beim Blick nach oben zeigte mir das entfernte Tageslicht, wo wir eingestiegen waren. Es war wie gesagt dunkel, die Luft stickig und viel sehen konnte ich nicht. Was dort eigentlich war, sah ich erst später auf den Fotos, welche in 'ins Dunkle' hinein gemacht hatte.
Wieder draußen gingen wir rüber zu den Felswänden, in denen mehrere Einbuchtungen zu sehen waren, welche in der Vorzeit mal als Wohnhöhlen dienten. Die ein oder andere Spur ehemals menschlicher Bearbeitung war nach den Jahrhunderten noch schwach zu erkennen. Insgesamt war es aber wenig spektakulär. Wir gingen zurück, also die Felswand hoch und quer durch seine Felder und Pferche zu seinem Haus. Er erklärte unablässig, zeigte mir eine endemische Schnecke und war dabei gut drauf. Er hatte scheinbar Spaß an der Abwechslung in seinem Tag und der wilden Mischung aus Spanisch, Deutsch und Englisch die er sprach. Ich auch. - An seinem Haus stärkte ich mich noch mit frischer Kokusmilch, Orangen und Papaya, roch an Kakaofett und Rohkakao und machte mich auf den Weg zurück. Der Weg war irgendwie typisch: Rote Erde, grüne Vegetation und grauer Himmel (der auch blau sein kann).
Unten im Dorf stand mein 'Fremdenführer'. Großes Theater würde nichts bringen, das war klar. Ich sprach ihn an: Er würde doch auch andere Touren anbieten. Wann er denn hier wäre? Und eben, wo er für mich leider keine Zeit mehr hatte: Nun musste ich den Anderen auch bezahlen und ob er sich mit 5 CUC daran beteiligen würde? Wäre doch fair oder? - Fand er auch und ich konnte meinen Verlust von 12 auf 7 CUC vermindern.
Auf dem langen Weg zurück kamen mir am Strand immer wieder Gruppen an Schülern entgegen ...auf dem Weg nach Hause und immer in Begleitung eines Erwachsenen. Das erinnerte mich daran, das einsame Strände oft gefährlicher sind als dunkle Gassen bei Nacht. - Vor mir lag Baracoa und dahinter zeichnete sich am Horizont der Umriss von 'El Yunque' ab. Fast 600 Meter erhebt sich der Tafelberg steil aus der Ebene. Ob ich ihn schaffe ...oder er mich?
Abends versuchte ich ein lokales Restaurant, welches im Reiseführer u.a. als Treffpunkt von Individualreisenden angepriesen wurde. Es war ein Reinfall, aber was soll's.
2010-03-05 Raumfüllend gefüllte Regale
Nach dem Frühstück stand Internet auf dem Programm. Bei der örtlichen Telefonzentrale gab's einige Terminals. Für die Zulassung war der Reisepass erforderlich. Das Verschicken der aktuellen PDF klappte, aber der Rest war wieder nix. Downloads? Verboten. Auf meinen PC zu Hause kommen? Server nicht freigeschaltet. PDFs auf Webseiten? Anzeige nicht erlaubt. URLs ohne das überflüssige WWW? Unbekannt. - Die Einfuhr von Satellitenanlagen oder nur die Schüssel ist genauso verboten wie die Einfuhr und Nutzung von Satellitentelefonen. Für GPS-Geräte braucht man eine Sondergenehmigung vom Ministerium. Und kritische Bücher zu Kuba oder dem Kommunismus sind feindliche Propaganda: Also verboten.
Ich besuchte die Fortaleza la Matachine, eine alte Festung über der Stadt, welche heute ein gutes Hotel beherbergt und eine gute Aussicht über die Stadt bietet. Dann ging's an's Westende, wo sich neben dem Busterminal das Fortaleza la Punta, heute ein Restaurant, befindet. Im Terminal wollte ich mich nach einer schnellen Verbindung nach Viñales erkundigen. Das rege Treiben und die vielen Schlangen an den unterschiedlichsten Schaltern hielten mich dann doch davon ab. Auf dem Weg zurück in's Zentrum sah ich wieder die Menschentrauben vor diversen 'Läden', welche gerade wohl einen begehrten Artikel anboten. Interessiert, was denn normal in den Läden ist, ging ich auf der Suche nach Sonnenmilch in einen Supermarkt. Ich hatte nicht erwartet dort Sonnenmilch zu finden, denn welcher Einheimische hätte dafür Verwendung? Aber die Körperpflegeabteilung war trotz ihrer Größe recht übersichtlich: Es gab geschätzt ein gutes Dutzend Produkte. Andere Regale im Laden waren ebenfalls sehr 'raumfüllend' bestückt. Ich ging wieder.
Die Leute halten oft Nutztiere wie Geflügel, Schweine, Schafe und Ziegen. Wenn sie Hunger haben, wird eines geschlachtet und gegessen. Pferde, Kühe, Esel usw., also die größeren Tiere, dürfen sie zwar besitzen, halten und pflegen; das Tier gehört aber dem Staat. So soll es sein, dass eine Ziege auf dem Markt so wertvoll wie eine Kuh ist, von der man nur die Milch nutzen kann. Wer eine Kuh unerlaubt schlachtet, riskiert bis 10 Jahre Gefängnis. Wer das Fleisch verkauft, riskiert bis acht Jahre und der Käufer bis zu einem Jahr. - Mahlzeit.
2010-03-06 Natur geführt und geschützt
Heute ging der Wecker, denn um 8:30 Uhr sollte ich bei CubaTur sein. Es ging zum Nationalpark Alexander von Humboldt. Er war zwar nie hier, aber funktioniert als Namenspatron trotzdem. Der Park gehört zu den wichtigsten Naturschutzgebieten der Erde und ist UNESCO ...ihr wisst schon. Rund 70 % aller hier vorkommenden Arten sind endemisch und oft auch vom Aussterben bedroht. Auf den 711 Quadratkilometer findet man aber auch rund 400 landwirtschaftliche Betriebe, oft Plantagen für Kokos und Kakao, welche bereits vorher da waren und heute Bestandsschutz genießen. Auf die Größe von Willich umgerechnet wären dies knapp 40 Betriebe. Hm, nicht ein wenig zu viel des Guten?
Unsere Touristentour bestand aus einer bunten Schar mit 13 Personen aus USA, Belgien, Deutschland, Frankreich, Österreich und Slowenien. Mit dabei eine belgische Ausgabe von Lara Croft ...jedoch ohne die 9 mm. Um halb elf angekommen, starteten wir zu einer mehrstündigen Wanderung entlang eines angelegten Weges und einem angenehmen Führer der staatlichen CubaTur. Berg rauf und Berg runter trainierte dabei Beinmuskulatur und Lungenflügel. Zwischendurch gab es einen Halt an einem der vielen Bäche, die zu durchqueren waren ...und wer wollte, konnte baden gehen. Um halb drei fuhren wir zurück, jedoch nicht ohne ein Zwischenstopp an einem der karibischen Sandstrände mit den türkisfarbenen klarem Wasser gemacht zu haben.
Heute war Samstag. Am Abend hatten die Restaurants ihre Tische auf die Straße gebracht, es gab überall Live-Musik, es wurde gekocht, gegrillt und jede Menge gefeiert. Die jungen Leute hatten sich chic gemacht. Und die Alten auch, wenn die zwischendurch zur Kirche gingen. Die halbe Stadt war auf den Beinen und im Zentrum versammelt. Warum? Heute war Samstag.
2010-03-07 Der Amboss ruft
El Yunque (spanisch für Amboss) heißt der Tafelberg, den Kolumbus schon erwähnte und seither mit seinen 575 Metern als unübersehbare Landmarke diente. Da kann man hinauf, aber nur zu Fuß und Touristen mit Führer. Bei der Buchung bekam ich gesagt, dass man zwei Stunden hinauf geht, bleibt etwas auf dem Gipfel und ist nach vier Stunden wieder unten. Ich kann nichts dafür, aber ich hatte automatisch gerechnet: Mit etwas hoch und runter sind 600 Meter Höhendifferenz zu überwinden oder anschaulicher: 200 Etagen. Das wäre, als würde man ein 5 stöckiges Haus in 3 Minuten hinauf laufen und dies zwei Stunden lang, aber eben nicht auf Treppenstufen sondern über Stock & Stein. Also gilt: a) 'man' geht in zwei Stunden hinauf und b) ich bin nicht 'man'. - Tja, so kann man sich verrückt machen. Aber wer es nicht versucht, hat schon verloren bevor es los geht. Also auf, auf...!
9 Uhr ging es los. Wir waren sieben Touristen, wieder bunt gemischt aus Deutschland, Slowenien und den Niederlande. Trotz ausmisten kam mein Daypack mit Wasser, Kamera, Schokolade etc. auf gerne 4 kg oder mehr. Aber das machte nix. Es war so wie oben berechnet & befürchtet und ich war der Weltmeister im Hecheln. Die letzten 50 Meter bin ich mehr auf allen Vieren vorwärts gekrabelt. - Auf. Alle. Ende. Aber oben!
Nachdem die Sonne wieder die Oberhand über meine Sterne errungen hatte, konnte ich die Aussicht genießen. Es war irre. Drumherum sind keine Berge bzw. die nächsten sind einiges entfernt. So losgelöst fast 600 Meter über der Umgebung zu sein, ohne den Fuß des Berges sehen zu können und über die tropische Landschaft zu schauen... hat was, doch, ist toll. Leider war der Gipfelaufenthalt mit 20 Minuten etwas kurz und es ging, mit einem erfrischenden Badeaufenthalt am Fluss garniert, wieder zurück. Bei der Flussdurchquerung lies ich diesmal die Schuhe an: Sie waren ohnehin schon naß, wie auch die Hosenbeine.
Um halb vier wieder in der Unterkunft, überspielte ich die Bilder (das musste nun sein), ging duschen, neue Klamotten an und rauf auf die Fortaleza la Matachine, die alte Festung über der Stadt, wo ich mich mit dem Dt. Ehepaar verabredet hatte: El Yunque im Sonnenuntergang gucken. Abschließend waren wir lecker essen und pflegten eine angenehme Unterhaltung.
Vor zwei Wochen bin ich in Kuba angekommen und in zwei Wochen geht es zurück. Zunächst geht's Morgen weiter ...zurück nach Santiago de Cuba, wo ich zwei oder drei Nächte bleibe.
2010-03-09 Nervenschulung & Glücksgefühl
Als Nachtrag zu Baracoa bliebe zu erwähnen, dass es dort fast keine alten Autos gab. OK, es gab alte Autos, aber ich meine Kuba-alt, also aus den 50er Jahren aus der Zeit vor der Revolution. Ebenso fehlten die Busse mit Touristen von Rundreisen oder Tagesausflügler. Dafür liegt Baracoa zu abseits, was dem Ort zugegeben eine extra Portion Charme verleiht.
Heute war Verschwörung angesagt. Für die Fahrt nach Santiago wäre keine Reservierung notwendig, hatte man mir gesagt. Aber der Bus war dann doch ausgebucht. Einen anderen Bus nehmen, war hier nicht möglich: Baracoa liegt am Ende von Kuba und es gibt nur die Verbindung nach Santiago. Also den Wartesaal bestimmungsgemäß nutzen und hoffen. Weiteres wäre nicht nötig. Einfach hinsetzen und warten.
Ich war nicht der Einzige ohne Fahrkarte. Ein Österreicher hatte das Angebot eines Fahrradrikschafahrers angenommen und gegen 'Aufpreis' Tickets im eigentlich ausgebuchten Bus bekommen. Andere hatten es bei den Bussen für Einheimische versucht, aber dort sah die Situation noch hoffnungsloser aus. Ich schaute zwischendurch beim Schalter vorbei und bekam nur das Zeichen Richtung Wartesaal. Ich wartete also weiter.
So konnte ich das Treiben im geteilten Terminal beobachten. Eine Hälfte war mit Warteraum, Klimaanlage und Fernseher für die relativ wenigen CUC-Zahler reserviert, während die Masse sich die Schlacht im überfüllten stickigen Rest lieferte. Der Andrang bei den Bussen für die einheimische Bevölkerung war ungleich größer (Erinnerung: Touristen und betuchte Kubaner fahren mit Bussen, welche besser sind und in Devisen, also CUC, bezahlt werden). Es gab an den Schaltern immer wieder Auseinandersetzungen zwischen den Anstehenden, so dass die Ordnungskräfte, mit Schlagstöcken ausgestattet, eingriffen.
Als um 14 Uhr die regulären Fahrgäste im Bus waren, konnten 'Fahrkartenlose' sich um freie Restplätze anstellen. Ich stand relativ gut, selbstredend ohne mein Gepäck, das in solchen Situationen nur extrem hinderlich ist und unbeaufsichtigt irgendwo in der Ecke stand. Ich kam dran: Welche Wartelistennummer ich hätte? Keine? Tja, dann...
Die restlichen Fahrkarten wurden also nach und nach an die Leute auf der Warteliste verkauft. Am Schluss war noch einer, ein einziger Platz frei: MEINER! Im Bus wurde ich von Mitreisenden mit Glückwünschen empfangen.
Die Abgase der wartenden Busse, der Lärm aus dem Fernseher, die Ungewissheit, das Warten, die Hitze und die schlechte Luft, das Schlangestehen, der vor Durst trockene Mund, die Unsicherheit ob dich da einer austrickst, das Gepäck irgendwie im Auge behalten bzw. eben nicht, die scheinbare Verschwörung gegen einen, die Anspannung, der Drang zur Toilette, die Ohnmacht auf eine fremde Situation und Leute angewiesen zu sein, ausgeliefert und dann der Trubel, die Hektik um einen herum ...stundenlang. Dabei gilt: freundlich bleiben und das Gesicht wahren, sonst hat man verloren. Das geht, je nach Tagesform und vor allem als Alleinreisender, schon kräftig an die Nerven! Das sind unangenehme Dinge auf solchen Reisen, gewiss, aber sie härten auch ab und schulen einen für die kleineren Unpässlichkeiten, welche man im deutschen Alltag erlebt.
Fünf Stunden später waren wir in Santiago de Cuba. Vor dem Terminal stand jemand und drückte ein Blatt Papier an die Fensterscheibe: 'BERNARD' stand darauf. Es war ein Verwandter von meiner Unterkunft in Baracoa, der telefonisch von meiner Ankunft unterrichtet wurde. Seine Casa Partikular lag zentral mit eigenem Eingang und Vorraum inkl. Tisch und Stühle, Schlaf- und Badezimmer für mich alleine, 20 CUC die Nacht, 220 Volt (das erste mal), Klimaanlage und Ventilator, Kühlschrank, Fernseher, auf Wunsch Wäscheservice (auch ein wichtiges Thema), Frühstück und Abendessen... und vor allem ein herzlicher Empfang von Nancy, der Hausherrin. 20 Minuten später war ich mit einem deftigen Abendessen und danach mit einem guten Kaffee versorgt. Wenn nach so einem Tag Selbstverständlichkeiten gut laufen, dann kommt schon etwas wie Glücksgefühl auf...
Casa Particular: Nancy & Eglis, Barnada No. 101, 90100 Santiago de Cuba, Tel: 53-22659169, Nancy: 52-468049, Eglis: 52-401163
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