Henter-Touren
2010 Kuba


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2010-03-09 Musik in der Luft

Santiago de Kuba. Mit einer guten halben Millionen Einwohner die zweitgrößte Stadt der Insel, somit mit Düsseldorf zu vergleichen, aber hügelig, auch mal stärker, und so eher an San Francisco erinnernd. Der für Touristen interessante Bereich liegt überschaubar zwischen drei Plätzen und war nur einen halben Kilometer entfernt. Auf dem Weg konnte ich 'bergauf' etwas wie Muskelkater spüren. Ich wohnte in einem blauen Eckhaus auf der Straße Barnarda, welche zum östlich gelegenen 'Plaza de Marte' führt. Von hier startet die zentrale Einkaufsstraße 'José a Saco' nach Westen, am 'Plaza de Dolores' vorbei und führt weiter in die Nähe des 'Parque Céspedes'. Dazu ein paar Parallel- und Seitenstraßen und schon hat man das touristische Zentrum von Santiago erfasst. Ich nahm mir vier Stunden Zeit, besuchte ein Rum-Museum (deren Rum-Probe mir in der Hitze gleich zu Kopf stieg), erholte mich in der dunklen Kühle einer Kirche und beobachtete ein halbe Stunde lang das rege Treiben auf dem Plaza de Marte.

Vergleich mit Trinidad und Baracoa: Santiago ist quirliger, die Straßen voller, die Leute gehen zielstrebiger und sind im Schnitt etwas besser gekleidet. Und es liegt neben dem unglaublichen Verkehrslärm auch viel Musik in der Luft, welche aber durch Abgase derart intensiv getrübt wird, dass man an einen Dt. Novembermorgen denkt.

Mein Reiseführer sagt speziell zu Santiago: "Manchmal scheint es unmöglich das Gefühl loszuwerden, man sei Geld-mit-Beinen." Tja, mit umgehängter Fototasche und Reiseführer in der Hand ist man nie alleine. Auch ich erkenne Touristen auf zwei Block Entfernung: Kurze Hose, Shirt, Schlappen, bevorzugte Farbe ist Outdoor-Beige und der Schnitt entstammt Indianer Jones. Nachmittags hatte ich es nochmal probiert: Ohne Fototasche, den Reiseführer in einer Plastiktragetasche versteckt, 'normales' Hemd mit langen Ärmeln und schwarze Jeans. Einer kam auf mich zu, stutze und verschwand wieder. Das war's. Ich hatte meine Ruhe. Geht doch.

Zu behaupten, dass alle Kubaner lange Hosen tragen, wäre natürlich falsch. Bauarbeiter und Fahrradkurriere tragen kurze Hosen. Und junge Männer versuchen mit topmodischen Bermudas den Mädels zu imponieren. Wogegen die typische Outdoor-Kleidung vermutlich Assoziationen zu den vielen Uniformierten im Straßenbild weckt oder vielleicht, bei einer halben Millionen Kubanern, Erinnerungen an ihren Einsatz im Angola-Krieg? Kubaner tragen sie zumindest nicht.

2010-03-10 Steuertermin, Schlangen, Regenschirme

Meine Vermieterin musste heute Steuern zahlen und ich 'durfte' daher schon einmal meine Rechnung begleichen ...und danach zur Bank Nachschub besorgen. Ich durfte dabei auch Schlange stehen, vor der Bank auf der Straße. Permanente und lange Schlangen sah ich auch vor den Läden, in denen es auf Bezugsbüchlein die Grundnahrungsmittel gibt ...sofern lieferbar. Das reicht bei weitem nicht aus und der Rest muss teuer auf dem freien Markt gekauft werden. Wenn ich gestern von einer zentralen Einkaufsstraße schrieb, so vermittelte dies bestimmt ein falsches Bild. Es war eine Straße mit vermehrt Läden und Fressbuden. Im Schaufenster eines Spielwarengeschäfts zählte ich zehn Spielwaren ...billiger Plastikkram. In den Regalen im Laden waren dann aber doch mehr zu sehen: Vielleicht zwanzig oder dreißig Artikel. Die Auslage einer Buchhandlung bestand aus den Büchern über die Helden der Revolution, des Unabhängigkeitkrieges, des Marxismus usw. Andere Bücher gab es sicherlich auch. In den Läden oft das gleiche Bild: Vor der Theke stand man Schlange um sich einen Artikel zeigen zu lassen. 'Kaufhäuser' waren trostloser und deutlich schlechter bestückt als unsere 1-Euro-Geschäfte. So muss es damals gewesen sein: Im Deutschland östlich der Mauer.

Die Sonne knallte in Santiago heftig vom Himmel. Erstmals sah ich in Kuba Frauen mit Regenschirm durch die Straßen laufen, wobei sich die Fußgänger auf eine Seite knubbelten: diejenige im Schatten. - Weil am Morgen die Kommunikationsleitung von Cubatur tot war, musste ich am Nachmittag erneut in's Zentrum. Es half nicht. Diesmal wollte ich rechtzeitig mein Ticket nach Havanna (gut 16 Stunden Fahrt) haben. Ich spürte, einem Heizstrahler gleich, die Hitze des umliegenden Mauerwerkes. Das Hemd hatte ich gegen ein T-Shirt (TV-Schiefbahn, Bogensport) getauscht, bin zielstrebig los ...und wurde nie angesprochen. Hm, Hemd muss also nicht sein. Ich besorgte mir mein Ticket bis Havanna und ging nochmal in's Internetcafe aka der Telefonbude am Parque Céspedes. Jetzt klappte, was gestern nicht funktionierte, wenn auch nur teilweise und mit dem fehlerhaften IE6 (kein FF im Angebot) sahen die Webseiten zum Schreien aus. Aber ich konnte heute unter den Tisch und hinter den PC krabeln, dort meinen USB-Stick einstecken und, hipphipp, er wurde sogar akzeptiert.

Santiago, ehemals Hauptstadt, ehemals Hauptstützpunkt der spanischen Armada, ehemals Hauptumschlagplatz der aus Afrika angelieferten Sklaven und 1953 nahm hier der bewaffnete Kampf gegen Batista seinen Anfang ...mit Leuten um einen jungen Rechtsanwalt mit dem Namen Fidel Alejandro Castro Ruz. - Das war also mein kurzer Zwischenaufenthalt im Ursprung von Bacardi: Es war Facundo Bacardí i Massó, welcher hier 1862 die berühmte Destillerie gründete. Die Familie unterstützte in den 1950ern den Kampf gegen den Diktator Batista. Nach der Revolution und der undankbaren Enteignung emigrierten sie und steuern heute das Imperium (Bacardi, Martini, Jack Daniel's, Southern Comfort usw.) von Hamilton (Bermuda) aus.

2010-03-11 Verdammt lange Fahrt

Die UNESCO und ihr Welterbe... Das ist die Liste, von der das Dresdner Elbtal gestrichen wurde, der Kölner Dom nur knapp drauf blieb und der Aachener Dom einen angestammten Platz hat. In der langen Liste findet sich seit 1997 unter der Nummer 841 das 'besterhaltenste und vollständigste Beispiel der Spanisch-Amerikanischen Militärarchitektur'. In Wirklichkeit findet man es natürlich nicht als Nummer in einer Liste, sondern rund 10 km südlich von Santiago de Cuba unter dem Namen 'Castillo de San Pedro de la Roca' oder kürzer und bekannter als 'Castillo del Morro'.

Bevor ich Santiago verließ, musste ich mir dieses Weltkulturerbe ansehen. Ich hatte eine Idee: Das Taxi bringt mich dorthin, wartet bis ich alles gesehen habe, fährt mich zurück zur Unterkunft, wo ich meinen Rucksack einsammel und fährt mich zum Busterminal. OK, offizielle Taxis nehmen von Zentrum zum Castillio und zurück ca. 12-15 CUC. Jetzt habe ich ein 'privates Taxi' durch Nancy's Vermittlung bekommen. Das ist mit 20 CUC nicht günstiger, aber flexibler und der Staat geht leer aus. Falls mal jemand in Kuba ein Taxi braucht: Ein inoffizielles Taxi mit kräftig handeln wäre auch für die Hälfte machbar gewesen.

Pünktlich um 12 Uhr holt mich das Taxi ab. Es ist ein uralter, knatschblauer Plymouth, der mich in einer halben Stunde zum Kulturerbe bringt. Zu Fuß bringt der Fahrer mich noch bis in das Castillio und wir machen die Zeit der Rückfahrt aus. Dann gehe ich auf Entdeckungstour. Es ist beeindruckend gut erhalten aka von der Bausubstanz vollständig. Über vier Ebenen erstrecken sich die Verteidigungseinrichtungen. Ein Blick auf die enge Durchfahrt in Richtung Santiago machte mir die enorme Wirkung deutlich: Hier kam wirklich keiner vorbei ...zumindest nicht ohne erheblichen Verlust. - In der Summe: nicht verpassen, wenn man in der Nähe ist. Erhaltungsgrad und Umfang rechtfertigen die Aufnahme in die Liste ...meine ich als Kultur­banause ;-)

Der Bus fuhr dann pünktlich um 15:15 Uhr ab. Eine verdammt lange Fahrt von knapp 1000 km begann, deren Ankunft für 7:30 Uhr am nächsten Morgen geplant war. Wer mit offenen Augen die Strecken in Kuba bewältigt, dem fallen vielleicht die ein oder anderen Dinge auf. Da wären die regelmäßigen Kontrollposten, an denen die Touristen- aka Viazul-Busse ohne Halt vorbei rauschen. Oder die etwas anderen Eindrücke von den durchquerten Dörfern. Hier fallen vor allen die vielen Großplakate mit Slogans des Systems auf. Dann die Kälte in den Bussen. Ich hatte mir diesmal ein T-Shirt unter das Hemd gezogen, aber es war noch zu wenig.

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